Lesemäuse aus Darmstadts Erstwohneinrichtungen
Flüchtlingskinder aus der DRK-Leseförderung stellen ihre Lieblingsbücher vor
Dienstagnachmittag im Erstwohnhaus für Geflüchtete in der Otto-Röhm-Straße: Elf Kinder aus Afghanistan, Somalia und Syrien mit stapelweise Büchern auf den Armen strömen zum Gemeinschaftsraum, in dem die DRK-Leseförderung des DRK Darmstadt stattfindet. Dieses Mal ist ein besonderer Tag, denn nach einem Jahr Leseförderung werden einige Kinder aus diesem Projekt verabschiedet. Im Rahmen einer kleinen Abschiedsfeier präsentieren sie die Bücher, die sie in dieser Zeit gelesen haben und stellen ihr Lieblingsbuch vor: „Gregs Tagebuch“ und „Adele malt die Welt bunt“ sind darunter. Beliebt sind auch die Duden-Kinderbuch-Titel wie „Eine Pizza für Sophie“ oder „Lucie findet einen Vogel“. Die Kinder sind stolz auf die Bücher und ebenso auf sich selbst. Zu Recht: „Viele von ihnen haben in kürzester Zeit enorme Fortschritte im deutschen Spracherwerb, im Lesen und Verstehen gemacht“, schildert Hanaa Badra. Die Grundschullehrerin aus Syrien ist eine der DRK-Lesepatinnen, die das Projekt umsetzen. Wie beeindruckend die Entwicklung ist, demonstriert der achtjährige Zana aus Syrien, der flüssig aus seinem Lieblingsbuch „Ein Fohlen kommt zur Welt“ vorliest. Seine zehnjährige Schwester Rojin fasst ihre Lieblingsgeschichte „Tigerjagd um Mitternacht“ mündlich zusammen. Ebenso große Lesemäuse sind Sam (8) und Rakieb (7) aus Eritrea. Deren Mutter erklärt, dass ihr Sohn Sam leidenschaftlich gern Fußball spielt, aber für die Lesestunden alles stehen und liegen lässt.
Seit Januar 2021 gibt es die DRK-Leseförderung der Abteilung Sozialarbeit des DRK Darmstadt für Kinder mit Fluchthintergrund zwischen vier und acht Jahren. Viele von ihnen mussten bereits in frühen Jahren traumatische Erfahrungen machen oder haben traumatisierte Eltern. „Flüchtlingskinder werden durch die Leseförderung auf vielen Ebene unterstützt. Die Bücher sind für sie ein fantasievoller Zufluchtsort, der auch die schönen Seiten des Lebens offenbart. Oft zeigen Geschichten fantasievoll Möglichkeiten, persönliche Stärken und Selbstbewusstsein zu entwickeln. Sie können helfen, Probleme, Sorgen oder Konflikte zu bearbeiten. Und indem das Konzept der DRK-Leseförderung aus individuellen Terminen bei den Familien zu Hause und Gruppentreffen mit mehreren Kindern besteht, werden die familiäre Struktur und das Zusammenleben insgesamt gestärkt“, so Buket Dagdelen, Sozialpädagogin des DRK Darmstadt. Bei der Umsetzung des Projekts arbeitet das DRK Darmstadt zudem eng mit dem Träger des Erstwohnhauses Kooperation Asyl zusammen.
Bislang realisiert wurde die DRK-Leseförderung mithilfe von Fördergeldern des DRK e. V. in Berlin und durch das Preisgeld des Ludwig-Metzger-Preises 2021 der Sparkasse Darmstadt. „Die Förderung des DRK-Bundesverbands läuft zum Ende dieses Monats aus. Wir werden das Projekt anschließend mit dem Adventskalendererlös der Darmstädter Lions Clubs in reduzierter Form weiterführen“, erläutert Buket Dagdelen. Von den Geldern wurden Bücher gekauft und die Arbeit der drei DRK-Lesepatinnen finanziert. „Ab Mai wird nur noch eine Lesepatin mitwirken können. Anstatt für die Betreuung von bis zu 35 Kindern, steht dann somit die Kapazität für etwa 12 Kinder zur Verfügung.“ Das bedauern die Kinder sehr und die wissbegierige Rakieb fragt beim Abschied hoffnungsvoll, ob es denn nicht doch noch eine Möglichkeit gibt, weiterzumachen.